Die Freundin der Mutter

Girlfriend

Die Geschichte begann … ja, im Grunde vor seiner Geburt. Seine Eltern waren, soweit er diese Informationen selbst erfahren oder erzählt bekommen hat, nicht unbedingt das größte Liebespaar der Geschichte. Nachdem sie geheiratet hatten und ihr erstes Kind – seine große Schwester – bekommen hatten, waren sie eigentlich schon in der Trennung begriffen, als er auf die Welt kam.

Ob die Schwangerschaft von seiner Mutter geplant worden war, um die Ehe zu retten, würde er bezweifeln, denn letztlich war die Trennung von ihr ausgegangen; oder mit anderen Worten: seinen Vater hat er nicht kennengelernt; und er hätte mit 12 Jahren auch nicht nach ihm fragen sollen, denn danach hat seine Mutter gefühlt zwei Jahre nicht mit ihm geredet.

Immerhin bekam er in der Pubertät durch eine aufsässige Schwester und eine herrische Mutter einiges mit. Er selbst wurde von seinen Klassenkameraden kaum als Muttersöhnchen bezeichnet, da sie es wohl nicht wagten, etwas zu sagen, weil sie sonst von seiner großen Schwester übergebraten bekommen hätten, aber als er begann, sich für Mädchen zu interessieren, schreckte es auch potentielle Kandidatinnen ab.

Im Hause der Familie gab es keine idyllische Harmonie. Felix fand das alles völlig normal, er kannte ja nichts anderes. Mutter hatte alles im Griff.

Wirklich lieblos war sie nicht, und auch der Begriff streng würde nicht passen, stets war ihr Verhalten sachlich und angemessen, doch duldete sie keinen Widerspruch, wenn sie einmal eine Entscheidung gefällt hatte, die sie unter Abwägung der ihr relevant erscheinenden Faktoren getroffen hatte.

Von wem seine Schwester ihr aufmüpfiges Wesen hatte, war nicht ersichtlich. Felix tat stets, was seine Mutter sagte, Melanie stets das Gegenteil. So war er unablässig hin- und hergerissen, seine Schwester beschützte ihn draußen, drinnen war seine Mutter die Herrscherin über ihn und alles, was seine Welt ausmachte.

Als seine große Schwester volljährig wurde und in eine eigene Wohnung zog, brach für ihn die Außenwelt zusammen, da er dort nicht mehr von ihr beschützt wurde; also zog er sich in den verbliebenen Rest zurück und wurde so, wie seine Mutter ihn nun formen konnte.

In dieser Phase seines Lebens ereignete sich überdies etwas, das er damals nicht wirklich verstand, denn eine neue Frau trat in das Leben der Familie. Seine Mutter war eine Verlagsleiterin und betreute viele Autoren, oder genauer gesagt: Autorinnen, wie es politisch korrekt heißt, denn der Verlag hatte sich Feminismus auf seine Fahnen geschrieben. Dass es tatsächlich viele männliche Autoren dort gab, die unter weiblichem Pseudonym veröffentlichten, war eine andere Geschichte, aber diese Frau, die plötzlich so angesagt war, war eben eine Autorin, die seine Mutter unter ihre Fittiche genommen hatte, und das in jeglicher Hinsicht, wie seine Mutter eben war.

Die Frau war jung, vielleicht fünf Jahre älter als Felix, und er hatte Begriffe wie ‚lesbisch’ zwar schon gehört, aber er verband damit lediglich etwas, das mit der Arbeit seiner Mutter zu tun hatte. Und wie ‚Feminismus’, ‚Gleichberechtigung’ und ‚Matriarchat’ war es für ihn alles ein und dasselbe.

Man könnte nun meinen, er wäre nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber wenn ein heranwachsender Junge nichts als dominante Frauen um sich hat, wie soll er dann eine Meinung entwickeln, die dem ihm vorgelebten Weltbild entgegensteht?

Dennoch war diese Frau eine Wunschvorstellung für ihn. Beinahe wie die große Schwester, die er verloren hatte, wenngleich sie nur in einem anderen Stadtteil wohnte. Und da gab es noch etwas anderes, das er auch nicht verstand. Wenn er sie sah, konnte er sich nicht richtig konzentrieren, er schaute auf ihre Haut, ihre Körperformen unter ihrer Kleidung, wie sich ihre Haare bewegten, die Hüften, wenn sie ging, ihre Lippen und Zähne, wenn sie lachte … jedem war klar, dass er sich in sie verliebt hatte, nur ihm selbst nicht, weil er ganz einfach nicht wusste, wie das ist.

Seine große Schwester war ja nicht da, um es ihm zu sagen, und seine Mutter hütete sich, wenngleich sie es natürlich bemerkt hatte.

So gab es drei Frauen, die bewusst und unbewusst in seinem Kopf bestimmten. Er fühlte, dass er sich irgendwie entscheiden musste, und entschied sich … für seine Schwester. Das war, obwohl er weiterhin nicht wusste, dass und was er entschied, die einfachste Variante. Er war stets um Harmonie bemüht und hätte selbst nicht begonnen, es zu erwähnen; so erzählte er seiner Schwester allmählich während seiner Besuche, die er jetzt häufiger machte, dass es bei ihm, also, in Mutters Wohnung, nicht so recht lief. Melanie fragte nicht groß nach, Felix erzählte frei heraus, was ihn beschäftigte; das zu interpretieren oblag ihr, und wie eine liebende Schwester nun einmal ist, gestattete sie ihm, seinen Lebensmittelpunkt zu ihr zu verschieben.

Er besuchte sie nun so häufig, dass sie ihm Platz in ihrem Kleiderschrank freiräumte, damit er etwas zum Anziehen hatte, wenn er von der Schule direkt zu ihr kam und duschte. Mit der Mutter sprach sie darüber nicht. Sie wüsste sowieso alles, und Gümüşsuyu travesti wenn Felix den Wunsch äußern würde, tatsächlich und offiziell bei Melanie einzuziehen, würde ein kurzes Gespräch über die Tatsachen genügen.

So kam es schließlich auch, und im ersten Jahr seiner dualen Ausbildung, die er zufällig aber praktischerweise in einem Betrieb absolvierte, der viel näher an Melanies Wohnung lag als die Wohnung der Mutter, wurde neben dem Platz im Schrank im eigentlichen Arbeitszimmer ein Platz für eine Matratze oder ein Bett geschaffen. Obwohl Melanie nicht wollte, dass ihre Mutter in Melanies Wohnung kam, ließ diese es sich nicht nehmen, das Organisatorische zu übernehmen und so stand eines Tages ein Umzugswagen mit seinem Kinderzimmerinventar und -Mobiliar vor der Tür und die Möbelpacker fragten bei jedem Teil, wo es denn hin käme.

Das Chaos in den Räumen und der Diele war so unüberschaubar, dass Melanie sagte, dass er bei ihr im Bett schlafen solle, denn sein Bett stand in Einzelteilen am Küchenregal, die als Schlafplatz vorgesehenen Quadratmeter waren mit Kartons vollgestellt.

‚Sag mal’, fragte Melanie ihren Bruder, als sie nebeneinander im Bett lagen, ‚warum glaubst Du hat Mami so anstandslos den Umzug gemacht?’

‚Keine Ahnung’, gab Felix wahrheitsgemäß zurück, spekulierte dann aber doch: ‚vielleicht weil sie einfach gern organisiert’

‚Das wirds wohl sein’ stimmte Melanie zu, ‚aber da ist doch noch mehr …’

Und nach einer kurzen Pause drehte sie sich zu ihm, ‚…aber ich bin sicher, dass sie einen Plan hat …’ und stichelte in seine Seite und kitzelte ihn ‚…und ihr Baby nicht so einfach aufgibt’

Felix war superkitzelig, aber auch körperlich deutlich kräftiger als seine ältere Schwester, packte sie und beugte sich über sie.

Sie verstummten und sahen sich tief in die Augen. Beide atmeten heftig. Dann küssten sie sich. Sie streichelte seinen Hinterkopf und sagte dann mit etwas Traurigkeit in der Stimme:

‚Jetzt lass uns schlafen.’

Auch nach Wochen waren seine Sachen noch nicht aus den Kartons geräumt und das Bettgestell stand immer noch in Einzelteilen hochkant in der Küche. Beide hatten wenig Zeit, Melanie nach ihrer Arbeit und Felix mit Berufsschule und anschließendem Malochen im Betrieb. Und es gefiel beiden in einem Bett zu schlafen, miteinander aufzuwachen und alles zu teilen. Sie kuschelten miteinander und küssten sich, aber beide wagten es nicht, einen Schritt weiter zu gehen.

Bis eines Abends, Felix hatte in der kleinen Küche etwas zu Essen vorbereitet und wartete darauf, seine geliebte Schwester zu überraschen, da kam sie grummelnd zur Tür herein und warf sie laut krachend zu, um ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen – und vor allem, ihren Frust lieber an der Tür und nicht an ihrem Bruder auszulassen. Der stand auch so schon genug verwirrt im Flur und schaute beinahe verzweifelt mit einem Dackelblick auf seine fauchende Schwester.

Völlig aus den Wolken fallend ging sie auf ihn zu, nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste sein ganzes Gesicht:

‚Oh, Baby, es tut mir leid, es ist nicht wegen dir.’ Sie setzte ab und zog Luft durch die Nase ein. ‚Du hast Essen gekocht für uns?’

Etwas beruhigt, aber immer noch sprachlos, nickte Felix und versuchte ein Lächeln. ‚Dein Lieblingsgericht’ verriet er nun und zeigte galant zur Küchentür.

Als sie gegessen hatten, war die Welt fast wieder in Ordnung. Es ist ein gutes Zeichen, wenn der Appetit noch da ist; doch Felix wusste immer noch nicht, was Melanie so geärgert hatte und traute sich schüchtern zu fragen: ‚Was war denn los, wer hat dich geärgert?’

‚Nicht wer, sondern was …’ antwortete sie und brauchte noch eine ganze Weile und einen großen Schluck Apfelschorle, bis sie anfing zu erzählen und machte auch keinen Hehl daraus zu erwägen, dass sie ihren Job kündigen wollte.

Sie stand auf, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in ihr gemeinsames Schlafzimmer. Sie zog sich aus und deutete, dass er sich auch entkleiden sollte. Dann schlug sie die Bettdecke auf, legte sich auf den Rücken und wies ihrem Bruder mit einem Blick, dass er sich zu ihr legen sollte.

Dann schlug sie die Decke über beide und drehte sich zu ihm.

‚Hast du schon eine Frau geliebt?’ fragte sie sanft.

Felix schüttete den Kopf. Er war nicht in der Lage zu sprechen und außerdem raubte seine Erektion seinem Gehirn soviel Blut, dass sein Sprachzentrum ohnehin nicht funktionierte.

In dieser Nacht lernte Felix viele Dinge, die es sich nicht einmal hätte erträumen können. Er schwebte in den nächsten Tagen, ach was, Wochen nur durch den Tag.

Als an einem Nachmittag, den er ausnahmsweise frei hatte, seine Mutter auf Festnetz anrief, fragte er sich nicht einmal, woher sie wusste, dass er nicht arbeiten musste und bei seiner Schwester zuhause war, dass er ihr beinahe erzählt hätte, dass sie Sex miteinander hatten. Doch wie üblich redete sie in ihrem sachlichen Ton und das bewahrte ihn, sich zu verplappern. Sie wies ihn an, sie am Wochenende zu besuchen. Er dachte kurz nach. Etwas, Gümüşsuyu travestileri das früher nicht passiert wäre, doch statt seiner Mutter zu gehorchen, überlegte er, ob er Melanie erst fragen sollte.

Ihm fiel nicht ein, dass es das gleiche Prinzip der Unterwerfung war, nur mit einer anderen Person, und so nickte er.

‚Felix, bist du noch dran?’

‚Ja, äh, ja, ich komme am Samstag Nachmittag’

‚Freitag Nachmittag, sag mal, hast du mir nicht zugehört?’

‚Ich? Nein, ich meine, Ja. Ja, bis dann.’

Felix hatte aufgelegt. Er schwitzte.

Oje, was wollte seine Mutter? Hatte sie etwas bemerkt? Natürlich hatte sie etwas bemerkt. Sie wusste immer alles. Er bekam unbeabsichtigt eine Erektion und wurde sie nicht wieder los.

Als seine Schwester nach Hause kam, freute sie sich über die Freude, die ihr Bruder ihr zeigte, merkte aber ebenso, dass etwas nicht stimmte.

‚Was ist los?’ fragte sie pointiert, als sie ihm seine Hose herunterstreifte und sein steifes Glied massierte. Ihr war klar, dass ihre Handlung nicht dazu führen würde, dass er antworten oder überhaupt nur artikulieren konnte. Sie zog ihn an sich und küsste ihn, auch deshalb, um ihn nicht zu überfordern, dass er pflichtbewusst nach Worten für eine Antwort suchen müsste.

Sie zog seine Hose ganz aus und ihn dann zum Bett, legte ihn ab und stieg über ihn, nachdem sie sich ebenso untenrum entkleidet hatte.

Sie schaute ihn an, während sie ihn ritt. Wie immer war er gänzlich gefangen vom Sex mit seiner Schwester, doch ein Hauch von Unsicherheit schwelte in seinem Hinterkopf.

‚Es ist Mami’ brach es aus ihr heraus und ein Zucken in den Tiefen ihrer Vagina, verursacht vom Penis ihres Bruders, zeigte ihr, dass es stimmte. Erst einmal erleichtert verstärkte sie ihren Ritt und genoss es, als sie spürte, wie Felix in ihr ejakulierte und sie ließ ihren Oberkörper auf ihren kleinen Bruder fallen. Als seine Erektion abgeklungen war, glitt sie von ihm herunter und legte sich ihm zugewandt neben ihn.

‚Also, erzähl’ forderte sie ihn auf und er berichtete von dem Anruf und dass er am Freitag nach Feierabend gleich zu ihr fahren würde.

‚Hm’ kommentierte Melanie, als er fertig war, hatte aber auch keine Ahnung, was ihre Mutter nach Monaten des Schweigens, soweit es sie betraf, plötzlich von ihm wollte.

Am Freitagabend saß Melanie nach ihrer Arbeit, bei der es sich wieder etwas eingerenkt hatte, allein in der Wohnung und spürte einen Anflug von Traurigkeit. Sie beschäftigte sich zunächst mit Hausarbeiten, zappte später lustlos durch die Kanäle und horchte auf jedes Geräusch im Hausflur. Als es fast 23 Uhr war und Felix noch nicht zurück war, überlegte Melanie, ob sie bei der Mutter anrufen sollte. Die Leere in der Wohnung war unerträglich. Nein, anrufen käme nicht in Frage. Sie zog ihre Jacke an und hatte die Klinke schon in der Hand, als außen ein Schlüssel ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde. Sie riss die Tür auf und fiel ihrem Bruder in den Arm.

Felix kam so spät, weil auf dem Rückweg ein Springer vor die Bahn – wie der Name schon sagte – gesprungen war. Zum ersten Mal bekam Felix das richtig mit. Er hatte früher schon davon gehört, aber er war noch nie so spät unterwegs gewesen und auch noch nie hatte er in den dunklen Straßen so viele Blaulichter gesehen. Sie reflektierten in den Fensterscheiben der umliegenden Häuser. Er war die ganze Zeit in der Bahn sitzen geblieben, weil er dachte, dass es gleich weitergehen würde.

Er war irritiert über die Äußerungen seiner Mutter gewesen, die ihn den ganzen Tag über fürsorglich behandelt hatte, um ihn auf ihr Anliegen vorzubereiten. Wenn sie ihn nicht den ganzen Abend über dort behalten hätte; wenn sie ihn überhaupt nicht erst eingeladen hatte, wäre er nicht ausgerechnet in dieser Straßenbahn gewesen, vor den der Selbstmörder gesprungen war.

Es ging soweit, dass Felix dachte, sie hätte etwas mit diesem Typen – oder war es eine Frau? – auf den Gleisen zu tun und sie oder ihn veranlasst, gezwungen, was auch immer, um zu verhindern, dass Felix zu seiner Schwester zurückkehrte. Deshalb wollte er auch nicht aussteigen.

Als alle Wagen bis auf ihn leer waren, kam eine Frau mit einer Warnweste und sprach zu Felix. Sie nahm ihn beim Arm und wollte ihn zum Aufstehen bewegen. Er schüttelte den Kopf.

Ob sie jemanden benachrichtigen sollten, fragte sie. Erst beim dritten Mal nahm er ihre Frage wahr und schüttelte wieder den Kopf.

Wen sollte sie benachrichtigen, und warum? Die Frau redete weiter auf ihn ein. Schließlich stand er auf. Diese Bahn würde nicht weiterfahren. Es gäbe einen Bus, der über eine Ersatzroute fahren würde. Felix hörte nicht zu und verstand nicht. Hatte seine Mutter gewusst, dass – oder besser wie – er seine Schwester liebte? Er hatte nichts gesagt, aber sie wusste es. Ganz bestimmt. Was wollte sie von ihm? Er konnte sich nicht mehr an die Worte erinnern, er wollte zu Melanie, ihr alles erzählen.

Was wollte er ihr erzählen? Warum hielt ihn die Frau am Arm? Sie schaute ihn an.

‚Steigen sie in den Bus? Travesti Gümüşsuyu Hören sie mich, junger Mann?’

Sie hatte ihn mehrmals nach seinem Namen gefragt, war aber geschult auf psychologisch belastende Situationen und wurde nicht fordernd.

Felix nickte schließlich und die Frau ließ ihn sich setzen. Der Bus fuhr über eine andere Straße, war aber nach anderthalb Kilometern wieder auf der Linie der Straßenbahn und fuhr neben den Schienen, auf die Felix während der Rest der Fahrt starrte, dass er fast die Haltestelle verpasst hatte.

Nun lag er in den Armen seiner Schwester. Sie hatte keine Ahnung, was passiert war. In der Nacht lagen sie umschlungen im Bett. Niemand sagte noch etwas. Auch Melanie wusste, dass etwas passiert war, aber sie fragte nicht. Sie genoss nur die Nähe, als wüsste sie, dass es das letzte Mal wäre. Sie schliefen nicht miteinander, obwohl sein Penis steif und ihre Muschi feucht geworden und er irgendwann in sie hineingerutscht war. Sie hielten einander und schliefen so verbunden bis zum nächsten Mittag.

Das Telefon weckte sie und es erschien Felix wie ein böser Traum. Er öffnete die Augen und sah in das lächelnde Gesicht seiner Schwester. Auch sie schien den dunklen Schleier der vergangenen Stunden vergessen zu haben. Doch da war immer noch das Schrillen des Telefons.

‚Das hört schon wieder auf’ sagte sie und drückte Felix wieder an sich. Beiden war bewusst, dass es ihre Mutter war und dass sie wieder anrufen würde.

Doch erst einmal duschten sie miteinander und machten Frühstück. Alle halbe Stunde klingelte das Telefon, aber bevor sie rangingen, musste Felix erst einmal erzählen, was bei seinem Besuch gewesen war. Das mit dem Springer lief in den Lokalnachrichten und Melanie sah, als er beim Frühstückstisch nickte, als darüber berichtet wurde, dass das der Grund für seine späte Rückkehr war und ihr Gefühl der Sorge berechtigt war. Aber über den Besuch selbst hatte er nichts gesagt.

Er rückte gegen Ende der späten ersten Nahrungsaufnahme damit sehr direkt heraus.

‚Heidrun will ein Kind’

Melanie sah ihn ungläubig an. Aus mehreren Gründen. Sie schüttelte in schnellen kurzen Bewegungen den Kopf.

‚Waaaas?’

Zum einen nannte Felix ihre Mutter nicht beim Vornamen, sondern Mami so wie sie, zum anderen war die Aussage für sie, für beide, maximal absurd.

Auch wenn Felix sicher sein konnte, dass das langgezogene Fragewort nicht auf akustische Verständigungsschwierigkeiten zurückzuführen war, wiederholte er den kurzen Satz, auch um es sich selbst klar zu machen.

‚Wie stellt sie sich das vor und was hast du damit zu tun, dass sie dich dafür einlädt?’ und dann fiel ihr noch ein: ‚Hat sie … weiß sie … hast du von uns erzählt?’

Die letzte Frage beantwortete er zuerst. ‚Nein, kein Wort’, obwohl beide überzeugt waren, dass sie es in dem Augenblick, als er in der Tür stand, an seiner Nasenspitze ansehen musste. Die Frage wäre, ob sie es richtig deuten oder in ihrer Selbstwahrnehmung ignorieren würde.

Als er alles so detailliert er konnte erzählt hatte, klingelte wieder das Telefon. Jetzt waren sie bereit, den Anruf entgegenzunehmen.

Melanie hob ab.

‚Gut’, meinte die Mutter am anderen Ende sofort, nachdem Melanie sich gemeldet hatte, ‚du weißt schon Bescheid’. Ihr war klar, dass ihr Anruf erst entgegengenommen würde, wenn Melanie von ihrem Bruder aufgeklärt worden war.

Natürlich folgte kein ‚was meinst du dazu?’ oder ähnliches; wenn ihre Mutter einen Plan hatte, gab es keine Rückfragen oder Einwände. Es ging nur noch darum, die Abläufe zu organisieren, und die bestanden darin, dass Felix bei seiner Schwester auszog. Dass sie keine neue Wohnung für ihren Sohn hatte, wie sie es ihm gegenüber behauptet hatte, um ihn aus der Wohnung und wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen, erwähnte sie freilich nicht. Das hätte die Ausführung ihres Plans verzögert.

Und der war, dass natürlich nicht Heidrun, sondern ihre Freundin Sandra schwanger werden sollte. Und da sie sich für die neu zu gründende Familie ein genetisch konformes Kind wünschten, sollte Felix als übereinstimmendes genetisches Objekt der Samenspender sein. Es war freilich nicht beabsichtigt, dass er Sex mit ihr haben sollte, aber um das Vorhaben effizient auszuführen, wäre erforderlich, dass er vor Ort wäre, um zum richtigen Zeitpunkt seine Spende abgeben zu können.

Der Tag der Vertragsunterzeichnung

Felix saß wieder bei seiner Mutter am Esstisch und vernahm nur ein Rauschen in seinem Kopf und das Ticken der Standuhr. Es gehörte wahrlich zu den Dingen, die er definitiv nicht vermisste, seit er bei Melanie wohnte, aber das beruhigende Geräusch erinnerte ihn zumindest daran, dass die Zeit nicht stillstand.

Er hatte den Vertrag gelesen, der vor ihm auf dem Tisch lag. Er starrte auf den Stift, der neben seiner Hand auf der akkurat ausgelegten Tischdecke lag. Er schaute hoch. Seine Mutter wirkte ernst. Nicht ungeduldig, aber ernst. Offenbar bereit, Fragen zu beantworten, die Felix stellen könnte. Sie wusste, er hatte keine Fragen; es gab keine Fragen und hätte auch keine geben können. Der Vertrag war makellos. Er legte die Kooperationsvereinbarung für Felix als genetisches Pendant für die Zusammenführung Sandras Eizelle mit dem Erbgut seiner Mutter fest, so dass die beiden Frauen Eltern des von Sandra auszutragenden Kindes wären. Sandra war nicht im Raum.

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